Bericht zur Informationsveranstaltung
„Wolf, Goldschakal und Co. - Herausforderungen in der Kulturlandschaft“
22.04.2022, VAZ Krieglach

Die Rückkehr der großen Beutegreifer in Österreich, allen voran der Wolf,
sorgt seit einigen Jahren zunehmend für kontroverse Diskussionen.
Herausforderungen und Problemen sieht sich in erster Linie die Landwirtschaft im Bereich der Nutztierhaltung gegenüber,
der Konflikt zwischen Natur- und Artenschutz einerseits und Interessen in der Kulturlandschaft

andererseits geht in der öffentlichen Wahrnehmung und der Medienberichterstattung mittlerweile bereits darüber hinaus,
gerade beim Thema Wolf.
Zur Beleuchtung und Diskussion der aktuellen Entwicklung luden die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl,
das Bezirksjagdamt Mürzzuschlag und die Jagdschutzvereine Mürzzuschlag und Kindberg am 22.04.2022
zum diesjährigen Seminar unter dem Titel „Wolf, Goldschakal und Co. – Herausforderungen in der Kulturlandschaft“.

 

Bezirksjägermeister Hannes Fraiß konnte nach den zuletzt pandemiebedingt online durchgeführten
Veranstaltungen heuer wieder persönlich im Veranstaltungszentrum Krieglach zum Seminar begrüßen.
Mit der seit nunmehr 20 Jahren bestehenden Seminarreihe habe man sich vorgenommen,
insbesondere auch kontroverse Themen zu beleuchten,
so Fraiß, und dies aus möglichst umfassender Perspektive und nicht nur vonseiten der Forstwirtschaft und Jagd.
So spannte er in kurzen Worten den Bogen von der Land- und Forstwirtschaft, der Jagd,
über den Naturschutz bis hin zu Tourismus und Freizeitnaturnutzung auf und betonte,
dass das Thema Einfluss auf eine Vielzahl von Nutzern und Akteuren in der Kulturlandschaft habe und einer langfristigen Perspektive bedürfe.
Auch sei die Politik gefordert, gangbare Lösungen zu schaffen, die in der Praxis umsetzbar sein müssen.

 

Die Breite der Thematik betonte auch Martin Krondorfer, Leiter der FAST Pichl,
in seinen Begrüßungsworten. Nachdem das Thema der großen Beutegreifer lange Zeit nicht im Vordergrund stand,
die Auswirkungen aber zunehmend sichtbar und größer würden,
müsse man sich vor dem Hintergrund der Verantwortung einerseits für die Kulturlandschaft
und Lebensgrundlage von Menschen im ländlichen Raum und andererseits für das grundsätzliche Lebensrecht von Wildtieren, so auch von Beutegreifern,
den aufgeworfenen Fragen und Problemen themenübergreifend und rasch widmen, so Krondorfer.

 

Die Fachvorträge wurden von Dr. Albin Blaschka, Geschäftsführer des Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs, eröffnet.
In seinem Beitrag gab er Einblick in die aktuelle Situation von Beutegreifern in Österreich
und Informierte über die Arbeitsschwerpunkte des Österreichzentrums.
Dieses arbeitet bundesländerübergreifend unter anderem an der Erstellung
von Empfehlungen und Hilfestellungen zum Umgang mit großen Beutegreifern z.B. betreffend Herdenschutz,
Koordinierung von Entschädigungszahlungen, Monitoringmaßnahmen,
Weiterbildung für Rissbegutachter und Landwirte und Einrichtung eines „Notfallteams“
zur Unterstützung von Landwirten nach Rissen von Beutegreifern.
Zur Entwicklung des Vorkommens der großen Beutegreifer in Österreich führte er aus,
dass der Wolf, der als ursprünglich heimisches Wildtier seit dem 19. Jahrhundert nach intensiven Maßnahmen zur Ausrottung nahezu, wenn auch nicht vollständig, verschwunden war,
nun wieder in zunehmender Dynamik nicht nur als Wanderer sondern auch territorial erscheint und Rudelbildungen auch abseits vom Truppenübungsplatz Allentsteig und der Region Böhmerwald,
wo derzeit 3 Rudel auf österreichischem Gebiet vorkommen,
in der aktuellen Entwicklung durchaus erwartbar seien. Der Wolf betreffe mittlerweile Natur- und Kulturräume in beinah ganz Österreich.

 

 

Für Bären gäbe es in Österreich immer wieder Nachweise, 2021 wurden 5 Individuen nachgewiesen,
wobei fast alle Wanderer sind, die aus dem Trentino ins westliche Tirol und aus Slowenien und Friaul nach Kärnten und in die Steiermark einwandern, sich derzeit aber nicht territorial niedergelassen haben.
Schäden gäbe es derzeit wenig.

 

Für den Luchs geht man derzeit von etwa 30 bis 35 territorial lebenden Individuen
auf österreichischem Boden in den zwei Vorkommen Böhmerwald (mit länderübergreifend zu Tschechien und Deutschland größerer Population)
und Nationalpark Kalkalpen mit angrenzender Steiermark aus.
Aufgrund der anderen Lebensweise etwa gegenüber Wölfen seien Schäden in der Kulturlandschaft viel seltener.
Zum Rückgang der Luchse trugen neben der Verfolgung bis ins 19. Jahrhundert
vor allem der Rückgang von zusammenhängenden Waldgebieten im Zuge der Industrialisierung
und damit verbunden das Verschwinden von geeigneten Lebensräumen und Beutetieren bei.

 

Da die zum Thema Goldschakal vorgesehene Referentin Fr. Jennifer Hatlauf, MSc.
leider sehr kurzfristig ihren Vortrag absagte, beleuchtete Dr. Blaschka in Kürze
auch die Entwicklung des Goldschakals in Österreich.
Anders als die anderen Großprädatoren ist der Goldschakal in Österreich geschichtlich nicht heimisch.
Seine Einwanderung aus dem südosteuropäischen Raum begann in den 1980er Jahren.
Als Nahrungsopportunist, der von Kleintieren bis kleinen Nutztieren ein breites Nahrungsspektrum hat,
sei der Schaden in der Kulturlandschaft derzeit noch gering.

 

Als zweiter der beiden Fachvorträge gab Ing. Josef Zandl, der das Gut Fischhorn
im Kaprunertal leitet und als Bezirksjägermeister-Stellvertreter in Zell am See fungiert,
unter dem Titel „Wolf und Co. in einem Gebirgsrevier – Einfluss auf Land und Forstwirtschaft,
Tourismus und Jagd“ einen vertieften Praxiseinblick als ein Betroffener der Thematik.
Seit einigen Jahren sieht sich der Betrieb, der die Bereiche Land- und Forstwirtschaft,
Jagd und Tourismuswirtschaft umspannt, zunehmend der Anwesenheit von Wölfen und steigenden Nutztierrissen gegenüber.
Innerhalb des Betriebs ging die Entwicklung mittlerweile so weit,
dass auf Teile der Almen Schafe aus Sicherheitsgründen nicht mehr aufgetrieben werden.
Zum finanziellen Schaden käme auch der emotionale Schaden für Betroffene sowie unkalkulierbarer körperlicher und psychischer Mehreinsatz.
Maßnahmen zum Herdenschutz würden sich den Berechnungen des Betriebs zufolge im Bereich
von etwa 100 bis 300 Euro pro gealptem Schaf bzw. Rind bewegen und seien wirtschaftlich nicht darstellbar.
Dies habe zur Folge, dass aus naturnaher Almwirtschaft eine ganzjährige Stallhaltung von Nutztieren würde.


Der Einfluss des Wolfs betreffe aber auch die anderen Teilbereiche Jagd,
Forstwirtschaft und Tourismus. Schalenwild zeige Verhaltensänderungen in Anwesenheit des Wolfs,
sei viel heimlicher und schwieriger zu bejagen und ließe bei geändertem Einstandsverhalten
auch mehr Schäden an forstlichen Kulturen und im Schutzwald erkennen.
Würden auf Almen Zäune zum Schutz vor Wölfen errichtet,
würde auch das Wild von wichtigen Äsungsflächen ausgesperrt.
Und wenn Almen weniger bewirtschaftet werden,
gehe auch eine wertvolle Basis nicht nur für Freizeit- und Tourismuswirtschaft,
sondern auch für traditionelles kulturelles Leben im alpinen Raum verloren.

 

Der Wolf sei ein „Gamechanger“ und stelle einen neuen,
unkalkulierbaren Standortfaktor in der Kulturlandschaft dar, so Zandl.
Herdenschutz und Entschädigungen allein seien vor allem im alpinen Raum unpraktikabel
und mit enormen finanziellen und personellen Aufwendungen verbunden.
Entschiedenes Handeln seitens der Politik zum Wolfsmanagement und Schaffung eines Rahmens zur Regulation der Ausbreitung sei gefordert, so Zandl.

 

In der Diskussionsrunde im Anschluss an die Vorträge wurde auf Fragen
aus dem Publikum eingegangen und weitere Erfahrungen der Referenten vertieft.

 

Dr. Blaschka unterstrich in seinem abschließenden Statement,
dass ein fundiertes Monitoring eine wesentliche Basis für Entscheidungen darstellt.
Die Frage des günstigen Erhaltungszustands nach dem Artenschutz sei insbesondere in Hinblick auf den Wolf eine schwierige,
Entscheidungen sind auf politischer Ebene zu treffen und spielen vor dem Hintergrund der international eingegangenen Verpflichtungen Österreichs zum Artenschutz.

 

Ing. Zandl betonte, dass der Wolf ein multifaktorielles Problem in der Kulturlandschaft darstelle.
Arten- und Tierschutz seien natürlich zu berücksichtige,
aber die Folgewirkungen und -kosten einer Dauerbesiedelung von Wölfen
in der österreichischen Kulturlandschaft seien in der gesellschaftspolitischen Diskussion noch viel zu weit von der Praxis und den Betroffenen entfernt.

 

Bezirksjägermeister Fraiß strich abschließend heraus,
dass die Kompetenz der Jäger zur Erkennung von Nachweisen großer Beutegreifer
einerseits gefördert und andererseits aber auch von anderem Akteuren ernstgenommen werden müsse.
Es gehe vor allem um ein Vertrauensverhältnis, das gestärkt werden müsse.
Die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis sei bislang noch mangelhaft.
In der Diskussion sei die Lebensraumtragfähigkeit der zentrale Aspekt.

 

Direktor Krondorfer ging zuletzt noch auf die wichtige Rolle von Wissen und Wissensvermittlung ein,
damit gerade bei emotional aufrührenden Themen gegenüber der Öffentlichkeit
und anderen Interessenträgern Probleme klar dargestellt werden können.

An dieser Stelle darf der FAST Pichl zur Organisation und erfolgreichen Durchführung
der Veranstaltung zu diesem zunehmend brisanten Thema gratuliert werden. 

 

Unter den Klängen der Jagdhornbläser der Gruppe Horrido wurde die Veranstaltung feierlich beschlossen.

Text:

Martina Zisler